Am Ende
der 4.Eiszeit, vor 50000-20000 Jahren, als die Lebensbedingungen allmählich günstiger
wurden, trat zum. 1. mal der horno sapiens auf. Aus Südasien, Nordafrika und Gebieten,
die heute unter dem Mittelmeer liegen, kam er nach Europa und erschien sogleich
künstlerisch und technisch hochbegabt. (Malerei, Gravierungen auf Stein, Knochen und
Elfenbein, erste Kleinplastiken, Geräte) Seine Kultur war recht einheitlich, vor allem
auf das Jagen und Sammeln gerichtet. Von seinen magisch-religiösen Vorstellungen geben
die erhaltenen künstlerischen Manifestationen Auskunft, die, Zeugnis der geschärften
Augen eines Jägervolkes, z.T. von grosser Präzision, rneist zumindest mühelos zu
erkcnnen sind. Das erhaltene Material der Höhle La Pileta umfasst drei Epochen: das
Jungpaläolithikum, das Mesolithikum und das Neolithikum.
Eine erste Stufe des
Jungpaláoliathikum (spatere Altsteinzeit), das Aurignacien (um 50 000 - 20 000 v.Chr.)
beginnt mit einfachen, mit dem Steingriffcl geritzten oder mit Farbe gezogenen
Urnrisszeichnungen. Diese gelangen im Solutréen (um 15 000 v.Chr.) zu einer immer
sorgfältigeren Ausführung und finden ihren Höhepunkt im Magdalénien (um 15 000 - 8 000
v.Chr.) Die Klarheit der Umrisslinie tritt nun allrnählich zurück zugunsten ihrer
Vielgestaltigkeit: sie wird gebrochen, gelockert, z.T. aufgelöst. Unter Verwendung
verschiedener Farben (gelber Ocker, schwarze Manganerde oder Kohle, rotes Eisenoxyd,
weisser Kalk, mit dern Fett von Tieren vermischt) werden Akzente gesetzt oder durch eine
geschickte Vertcilung von dunkleren und helleren Tönen und Ausnutzung der Unebenheiten
der Felswände z. T. bereits Plastizität angestrebt. Es entsteht ein mehr malerisches
Bild. Aus dieser Zeit stammen auch die seltenen perspektivisch gesehenen Bilder von
Tieren, welche sich umblicken. Das ausgehende Magdalénien dagegen kehrt zur Fläche, zur
Führung der Umrisslinie zurück.
Die Zusammenhanglosigkeit
der einzelnen Darstellungen, z. T. sind sie völlig willkürlich übereinander gesetz
tlässt vermuten, dass nicht künstlerisch-ornamentale Zwecke das Motiv ihrer Entstehung
sind, sondern dass sie, einbezogen in rnagische Riten und Beschwörungen, dem Jagdglück
oder der Fruchtbarkeit dienen sollten.
Die Tierbilder in der
Höhle La Pileta beginnen im Hauptschiff (Nave Central). In Kohleurnrisszeichnungen und
rötlichem und gelben Ocker sind hier ein Pferd, Kopf und Hörner eines Stiers in
lebendigerer Farbe und daneben schematische Zeichnungen von ungeklärter Bedeutung
ausgeführt.
Im seitlich anschliessenden
Nebensaal (El Salón) sind unter den vielerlei interessanten Zcichnungen ein Rentier (?)
und ein über 2 m grosser Hirsch des Qutär (cervus elaphus cuaternario), dahinter, in der
Galerie der Bergziegen (Galerías de las Cabras Montesas), die spanische Ziege (Cabra
Hispánica) und ein Pferd hervorzuheben.
Wegen der grösseren
Perfektion der Zeicnungen nimmt man an, dass sich zwischen dem Hauptschiff und dem
anschlieBenden ebenso grossen Saal mit Teich das Sanktuariun befand. Neben verschiedenen
Strichzcichen enthält es insgesamt 12 hervorragende Tierbilder. Trächtige Tiere, wie die
abgebildete Stute, lassen auf Fruchtbarkeitsriten schliessen.
Bis zurn folgenden Saal des
Teiches (Sala del Lago) werden die Tierzeichnungen aus dem Aurignacien fortgesetzt. Von
besonderem Interesse unter den 7 Kohlezcichnungen dieses Saales sind u. a. die in
perspektivischer Verdrehung gezcigten Rinder. Möglicherweise kann auch die Fig. 6 alsnun
von hinten gezeigtes - perspektivisch gezeichnetes Rind gedeutet werden.
Tierzeichnungen und
Ockerfärbungen tauchen erst wieder im Saal des Fisches auf (Salón del Pez) Wegen der
Seltenheit von Meerestierabbildungen gab vor allem dieser Saal der Pileta Ruf und
Bedeutung. Im Zentrurn des grossen Meeresfisches ist, nach rückwärts gerichtet, die
Silhouette eines kleinen Sechundes zu erkennen. Ein kleines, präzise umrissenes Reh (?)
über dem oberen Schwanzteil des Fisches, scheint Leben und Bewegung zu haben.
In den unteren Galerien
(Galerías nuevas), die Tierrepräsentationen aus derselben Zeit enthalten, wäre noch
eine Zeichnung zu erwähnen, die möglicherweise Kopf und Vorderteil einer Antilope oder
des spanischen Steinbocks darstellt.
Alle diese Tiere wurden von
Abate Breuil und Dr. Hugo Obermaier studiert und zeitlich eingeordnet (in "La Pileta
a Benaoján"). Hinzu kommen nun zwei erst kürzlich vom jetzigen Besitzer entdeckte
Tiere: ein Ziegenbock und ein Hirsch. Beide zeugen von perfekter Beherrschung der
Linienführung. Der präzise gezeichnete Hirsch ist im Sprung festgehalten.
Unter den zahlreichen
menschlichen Darstellungen wäre vor allem der Bogenschütze aus dem Saal der maurischen
Königin (Sala de la reina mora) anzuführen. Auch er ist im Augenblick der Aktion, beim
Spannen des Bogens erfasst.
Während die Tierbilder
enge Verwandtschaft zur franko-kantabrischen Kunst Südfrankreichs und Nordspaniens
bewahren, sprechen die menschlichen Darstellungen von der Anwesenheit capsischer
Kulturelemente, die vor allem an der Ostküste Spaniens zu finden sind und enge
Verwandtschaft mit Fundstätten Afrikas aufweisen.
Man nimmt an, dass der
Bogen von hier über das franko-kantabrische Solutréen in die mitteleuropäische Welt
eingeführt wurde, wo er sich jedoch nicht im selben Mass bewährte. In Nordafrika und
Südspanien herrschte zu dieser Zeit ein sehr regenreiches Klima. In diesen waldreichen
Gegenden waren Pfeil und Bogen ein geeignetes Hilfsmittel der Jagd, während die
kälteren, waldfreien Regionen des Nordens kaum Gelegenheit für eine erfolgreiche
Bogenjagd bieten konnten. Während der mittleren Steinzeit (Mesolithikum, 8 - 2000 v.
Chr.) kam es zu einer weitgehenden Vermischung der beiden Kulturen. Eine von Dr. Berdau
(Universität Heidelberg) durchgeführte C 14 Untersuchung ergab den Nachweis
mesolithischer Reste in der Höhle.
Der einschneidende
Lebenswandel den die Anfänge von Ackerbau, Töpferei, Tierhaltung und teilweise
Sesshaftigkeit im Neolithikum mit sich brachten, führte zu einem ebenso radikalem
Stilwandel der künstlcrischen Äusserungen. Hochstilisierte Figuren, Strichzeichen
symbolischer, kalendarischer, topographischer oder praktischer Art, wic es die Lage oder
Anlage einer Tierfalle sein könnten, füllen vor allem den Saal des Fisches und eine
grosse Wand im Saal des Teiches. Die Interpretation solcher Zeichnungen kann sich nur auf
Vermutungen und Hypothesen stützen.
Aus der Neolithischen
Periode sind ausserdem Werkzeuge aus Knochen, poliertem Stein und Feuerstein un
Keramikreste erhalten.
Die von Abate Breuil
"traits macaronis" genannten Strichzeichnungen (möglicherweise ein Symbol für
Wasser oder Fruchtbarkeit) erscheinen bereits im Schlosaal (Sala del Castillo) und
"Türm von Pisa" (Torre de Pisa). Dort sind auch gerade und herzförmige Linien
in gelblichem Ocker zu finden, die teilweise von Kalkspat überdeckt werden. Zahlreich
sind solche Strichzeichen auch im Salon (El Salón), im Hauptschiff (Nave Central), im
Korridor, der zum Saal der Bergziegen (Sala de las Cabras Montesas), fühnt im Saal der
Schlangen (Sala de las serpientes) und seiner Verlángerung bis hin zu den Neuen Galerien
(Galerías Nuevas). |